Vor dem
Treffen am 19.11.2014 in Staßfurt im Salzlandtheater war ich unheimlich nervös. Das erste Mal ein Interview zu führen ist
schon eine große Herausforderung. Ich habe so Angst gehabt, dass ich was
vergesse, dass ich die falschen Fragen stelle und das man nicht ins Gespräch
wirklich reinkommt. Aber die beiden waren direkt so herzlich, dass diese Angst
völlig unbegründet war. Aber hier ist jetzt das versprochene Interview mit
Nadja und Claudia Beinert.
Wer macht von Euch die Recherche?
Claudia:
Wir teilen uns die Themen auf, eigentlich
nach Interesse.
Nadja begeistert sich für Medizingeschichte
und Leichenschauen.
Und ich bin diejenige, die sich für
Architektur und Rechtssprechung interessiert.
Architektur und Rechtssprechung klingt für
mich ja ziemlich trocken, ist das so?
Claudia:
Es klingt trocken, aber es kann sehr spannend
erzählt werden. .
Nadja:
Es ist ja auch das Ziel, trockene Fakten,
die niemand so recherchieren würde, derart zu verweben, dass der Leser überzeugt
ist, eine spannende Geschichte zu lesen,
wie z.B. in unserem ersten Roman „Die Herrin der Kathedrale“, in dem eine
Kathedrale gebaut wurde. Das ist es auch, was den Autor dann
freut: wenn der Leser z. B. sagt: „Es
war interessant, wie die Steinmetze damals gearbeitet haben“ oder „Es war
interessant, was die Menschen einst über
den Körper und die Gesundheit wussten“. Uns fesseln die vielen Informationen
bereits bei der Recherche, sodass es fast zu schade ist, nur einen Bruchteil
letztendlich im Buch unterbringen zu können.
Später
erzählten Sie nach der Lesung, dass sie gerne in Bibliotheken recherchieren und
wenn sie wirklich keine Informationen finden können, richten sie sich mit ihren
Fragen an Experten.
Beim zweiten
Buch, geht es ja um eine Leichenschau. Also fragten die beiden eine Polizistin,
die ihnen ihre Empfindungen und Eindrücke ganz genau schilderte. Das half
beiden Schwestern, die Szene der Leichenschau authentisch an den Leser zu
vermitteln.
Wie macht ihr das mit der Zusammenarbeit,
wenn einer in Würzburg und einer in Erfurt wohnt?
Claudia:
Wir sagen von Anfang an, welche Themen wir
recherchieren wollen, also welche im Buch eine Rolle spielen werden. Dann
strömen wir aus und jeder sammelt seine Infos, dann überlegen wir, wie man das
im Buch geschickt verweben kann. Und dann passiert ganz viel über Fernkommunikation.
Also Telefon und wir nutzen eine Web-Cloud, das heißt jeder kann immer auf die
Dokumente des anderen zugreifen. Aber wir sind ja Schwestern und wir haben uns
gern, daher sehen wir uns häufig, was –
wie gesagt – für die Arbeit nicht zwingend notwendig wäre.
Auf der
Lesung erfuhr ich dann, und darüber hatte ich mir gar keine Gedanken gemacht,
dass viel Digital passiert. Aber es gibt auch Skizzierungen von Räumen, Szenenabläufen
usw., denn beide schreiben an den Szenen und wenn in Claudias Vorstellung ein
Stuhl links steht im Raum kann er bei Nadja nicht rechts stehen. Also werden
Örtlichkeiten skizziert, eingescannt und in der Cloud abgelegt.
Stand schon immer der Gedanke im Raum einen
historischen Roman zu schreiben? Claudia hat ja auch schon Fachbücher
geschrieben.
Claudia:
Nein, nie. Der Gedanke kam mir nach 10
Jahren in meinem Beruf, als ich mir sagte, ich möchte einfach noch etwas Neues
machen. Dann überlegte ich, was mich interessieren würde. Und das waren
Geschichte und Literatur, und die Verbindung von Geschichte mit Literatur ergibt den historischen Roman.
Und da wir beide schon seit unserer Jugend
historische Romane gelesen haben, haben wir dann gesagt „Lass uns doch mal
versuchen, so einen selbst zu schreiben.“
Habt ihr bei historischen Romanen einen
persönlichen Favoriten?
Claudia:
Es würde zu kurz greifen nur ein oder zwei
zu nennen. Es gibt viele, tolle Autoren, die richtig gute historische Romane
schreiben. Allerdings, der erste Roman den ich gelesen habe und der mich
sozusagen infiziert hat, war „Der Medicus“ von Noah Gordon.
Nadja:
Ich lese grundsätzlich gern Geschichten, in
denen Frauen eine Rolle spielen, weil ich es mag, mich mit ihnen zu
identifizieren. Also würde ich schon sagen, dass ich Romane bevorzuge, in denen
es eine Heldin gibt.
Claudia:
Ich glaube auch seitdem wir selber
schreiben, lesen wir bewusst noch breiter. Also wenn mir früher ein Autor oder
eine Autorin gefallen hat, dann habe ich gleich drei oder vier Bücher von ihm
gekauft. Das würde ich heute nicht mehr machen, denn jetzt will ich so viel wie
möglich unterschiedliche Autoren lesen, um die verschiedenen Schreibstile und
Plots zu erfahren, die mich im Idealfall inspirieren.
Lest ihr eigentlich auch, wenn ihr gerade
am Schreiben seid? Oder ist die Angst da, unbewusst etwas zu übernehmen?
Claudia:
Ich schreibe fünf Tage die Woche. Würde ich
beim Schreiben nicht auch lesen, käme ich gar nicht mehr zum Lesen. Nein, ich
lese ganz normal, wie immer.
Nadja:
In „Die Kathedrale der Ewigkeit“ wird zum
Beginn der Geschichte eine Obduktion durchgeführt und ich wusste, dass es
bereits ein Buch gab, das auch im Hochmittelalter spielte und eine Leichenschau
beschrieb. Zuerst wollte ich es lesen,
um zu schauen, wie der Autor das Thema umgesetzt hat. Dann habe ich es doch liegen
lassen , weil ich nicht wollte, dass ich das Thema unbewusst auf derselben
Schiene umsetze. Aber es wäre vielleicht interessant, den Roman jetzt zu lesen.
Ist ein drittes Buch geplant oder ein ganz
anderes, um eine andere Person oder eine andere Ortschaft? Vielleicht sogar ein
Buch über die Heimatstadt ?
Claudia:
Ob es ein drittes Buch geben wird? Ja, das deuten
wir auch im zweiten Teil im Nachwort an. Es
wird das Finale unserer Trilogie um Uta und den Naumburger Dom sein.
Nadja:
Staßfurt als Schauplatz in einem Roman konnten
wir uns gut vorstellen – vermutlich wäre es um den Salzbergbau gegangen. Aber dann kam das wunderbare Buch „Das Salz
der Erde“ auf den Markt und da haben wir gedacht, dass Thema kann man kaum besser
umsetzen.
Habt ihr vielleicht vor, mal in einem
anderen Genre zu schreiben?
Nadja:
Erst einmal nicht. Unser zweites Buch „Die Kathedrale der Ewigkeit“ ist
zwar ein historischer Roman, es trägt aber weitere
Genres in sich, wie einen Krimi und eine Liebesgeschichte. Aus diesem
Grund vermissen wir schreiberisch andere Genres auch nicht.
Wenn ihr zu damaliger Zeit leben könntet,
als was würdet ihr leben wollen? Burgfräulein, Kräuterfrau, Bauersfrau oder
Nonne?
Nadja:
Bauersfrauen hatten es in der damaligen Zeit
wirklich schwer, da sie körperlich hart
arbeiten mussten, um zu überleben. Eine Markgräfin, wie unsere Uta von
Naumburg, hatte es diesbezüglich
leichter. Dennoch besitzt das Leben der einfachen
Menschen auch reizvolle Seiten. Das Arbeiten und Essen in einer großen, munteren
Gemeinschaft (anstatt das vielleicht steife, gehobene Mahl einer Markgräfin mit
ihrem Gatten) stelle ich mir vergnüglich vor.
Claudia:
Option A wäre, als Frau ins Kloster zu
gehen. Die Frau hatte dort viele Freiheiten, hatte Zugang zu Wissen und war
sicher vor Gewalt. Wobei mir da eine „irdische“ Partnerschaft fehlen würde.
In Option B wäre ich lieber ein Mann
gewesen. Männer waren nicht so sehr der Willkür unterworfen und Willkür war ein
großes Problem im Mittelalter.
Geht ihr neben dem Schreiben euren
ursprünglichen Jobs noch nach?
Claudia:
Also ich bin Vollzeitautorin. Ich schreibe
fünf Tage die Woche.
Nadja:
Ich arbeite noch freiberuflich, plane dabei jedoch
je nach Bedarf. Wenn ich weiß, ich werde jetzt ein halbes Jahr am Roman schreiben,
dann nehm ich keine Projekte für diese Zeit an.
Wie war es eigentlich bei euch mit eurem
Verlagsvertrag? Musstet ihr euer Manuskript erst an viele Verlage schicken,
bevor euer Buch verlegt wurde?
Claudia:
Bei uns war es direkt der große Treffer. Wir
haben auf einem Seminar eine Lektorin vom Droemer-Knaur-Verlag kennengelernt
und diese Lektorin hat im Rahmen des Seminars eine Textprobe von uns gelesen.
Daraufhin bat sie uns, ihr das gesamte Manuskript zuzuschicken. Das haben wir
dann auch gemacht und es hat ihr dann so gut gefallen, dass sie unser Buch
verlegen wollte. Also direkt ein Treffer.
Wie lange hat es beim ersten Roman vom
ersten Gedanken bis zur Fertigstellung gedauert?
Claudia:
Für „Die Herrin der Kathedrale“ haben wir fünf
Jahre benötigt. Aber das haben wir neben
unseren Berufen her gemacht. Während dieser Zeit sind wir mit jeder Seite gewachsen
und schneller und effizienter in der Arbeitsweise geworden.
Nadja, du bist ruhiger von euch beiden?
Nadja:
(lacht) Nach außen hin zumindest.
Nadja, du wohnst in Erfurt und arbeitest in
der Filmbranche? Wie passt das zusammen?
Nadja:
In Erfurt sitzt der Kinderkanal, deswegen
wird dort gar einiges gedreht. Aber ich bin freiberuflich und daher nicht an
Erfurt gebunden. Ich bin deutschlandweit für jegliche Produktion im Bereich
Film und Serie unterwegs. Die genaue Berufsbezeichnung ist Skript/Continuity,
das ist so etwas Ähnliches wie Regieassistenz.
Wie sieht es denn bei euch privat aus?
Verheiratet? Kinder?
Nadja:
Wir haben beide einen Mann und keine Kinder.
Wie ist das bei dir auf Arbeit? Wissen da
alle, dass du Autorin bist?
Nadja:
Da ist mein Autorenleben kein Thema. 99%
wissen nichts davon.
Was ist für euch das schönste Feedback vom
Leser?
Claudia:
Bei mir ist es das Schönste, Emotionen beim
Leser auszulösen. Wenn dann der Leser noch sagt, er konnte das Buch nicht bei
Seite legen, dann ist es am schönsten.
Nadja:
Wenn Besucher nach der Lesung auf uns zu
kommen und uns dann zum Beispiel ihre Verbundenheit zu Uta von Naumburg
schildern. Sie teilen ihre privaten Erfahrungen mit uns, weil das Buch
anscheinend in ihr Herz vorgedrungen ist. Das ist schon ein sehr großes
Kompliment!
Hat sich bei euch etwas verändert seit dem
ihr Autorinnen seid?
Nadja:
Ich bin besonders aufmerksam für alle Dinge geworden, die uns umgeben. Allem voran die ganz
persönlichen Geschichten der Menschen, die das Leben schreibt. Aber auch die
Architektur von Häusern, Gerüche in der
Natur oder in Räumen, die Beschaffenheit von Materialien speichere ich ab. Diese
vielen Eindrücke versuche ich zu behalten, um sie in einem der nächsten Bücher
womöglich einzubinden.
Claudia:
Man screent mehr, z. B. bei Menschen, die mir begegnen, denke ich
öfters: „Die Person gibt eine perfekte
Romanfigur ab.“
Wie geht ihr mit Kritik um?
Claudia:
Erstmal fragen, ob sie berechtigt ist und
was man daraus mitnehmen kann. Beim ersten Buch fehlte vielen Lesern eine Karte
der Handlungsorte, gerade wenn sie nicht aus Sachsen-Anhalt waren. Und nun ist
im zweiten Buch eine Karte enthalten. Man kann es nicht jedem Leser recht
machen. Kritik ist häufig auf
unterschiedliche Geschmäcker zurückzuführen.
Nadja:
Es gibt auch Kritik, die einen hin und
wieder mal trifft, aber die vielen positiven Eindrücke unserer Leser machen das wieder wett.
Wie wichtig ist euch das Nachwort?
Claudia:
Es ist sehr wichtig und wir stecken da
viel Arbeit hinein. Auf diesen letzten Seiten des Buches klären wir auch
auf, was in der Geschichte Fakt und was Fiction ist.
Alles konnte
ich nun von diesem Interview nicht wiedergeben. Es waren so viele Informationen
und ein so nettes Gespräch, dass es bei genauer wörtlicher Wiedergabe den
Rahmen gesprengt hätte. Die Beinert Schwestern sind so nette Persönlichkeiten,
dass ich mich nach einer viertel Stunde schon wie bei einem Kaffeeklatscht mit
Freundinnen fühlte. Viele Aspekte sehe ich nun in einem anderen Licht und ich
danke Claudia und Nadja für ihre Zeit und ihre offene herzliche Art. Es war mir
ein Vergnügen mit ihnen zu sprechen und ich werde sicher beim dritten Teil
wieder auf der Lesung sein.
Ich hoffe
euch hat mein Interview gefallen und ich konnte euch ein bisschen neugierig auf
die Werke dieser beiden sympathischen Schwestern machen.